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  Renovation der Reitschule Bern  
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Unternehmensmitarbeit
 
Nachdem im letzten megafon ausgewählte Ansichten zum Aushub im Vorraum zu bestaunen waren, folgt nun der Text zum Bild. Unterdessen ist nämlich fast die ganze Reitschule eine Baustelle: Das Dachstockdach ist grösstenteils vom alten Schiefer befreit, im Vorraum wird an einer Kanalisation gegraben, das neue Provisorium auf der Remise West hatte gerade Aufrichte. Wo auch immer gehämmert, gebohrt und gespritzt, gesägt, gefräst und gehandlangert wird: UmaR, so das Kürzel für die ReitschülerInnen auf der Baustelle bei den Baufirmen mitarbeiten, ist ständig mit dabei.

Von der Bauhuette zum Bauheute ­ also vom Projekt zum jetzt angelaufenen Umbau ­ verhält es sich etwa so wie von der Expo 01 zur Expo 02: Ziemlich viele Wünsche und Vorstellungen müssen den bösen Sachzwängen weichen. So musste vor allem revidiert werden, dass in der Reitschule hauptsächlich von ReitschülerInnen gebaut wird, da bei öffentlichen Bauten die Arbeit ausgeschrieben werden muss. Und da kann die Reitschule natürlich nicht mitziehen, da bei der Auftragsvergabe die günstigste Offerte berücksichtigt werden muss. Damit aber ReitschülerInnen, solche die es werden wollen und Leute aus dem Umfeld (die sind eben nicht nur an Demos anzutreffen, sondern können auch «chrampfe»...) mitbauen können, wurde das Projekt UmaR ausgeheckt: Schon in der Ausschreibung für die jeweiligen Arbeiten sind die Stunden festgelegt, die die Gruppe Unternehmensmitarbeit Reitschule, eben UmaR, bei den Baufirmen mitarbeiten soll.

Von morgen früh...

Eine UmaR-Kerngruppe von drei Leuten ist längerfristig angestellt, weitere Leute werden tage- und wochenweise engagiert. Die Kerngruppe schaut, wer wann wo arbeiten kann, kontaktiert die Unternehmungen, um die versprochenen Stunden dann auch arbeiten zu können. Dies ist nicht gerade immer einfach, ein Polier gab auch schon so üble Aussprüche von sich wie «wir machen hier keine Arbeitstherapie», um keine Leute aus der Reitschule anstellen zu müssen. Im Gegenzug gibt es aber auch viele Firmen, die sehr froh sind, wenn die UmaR-Leute anrücken, weil sie selbst einen Personalengpass haben. Schwierig ist in erster Linie, dass die Termine extrem kurzfristig fixiert werden, so dass manchmal am Vorabend noch Leute für den nächsten Tag gesucht werden müssen. Zusätzlich erschwert wird die Situation dadurch, dass wegen der Verzögerung der Baubewilligung nun im Vorraum, auf dem Dachstock und bei der Remise gleichzeitig gebaut wird. So arbeiten denn die Kerngruppen-UmaRbeiterInnen je zwischen 70 und 120 Prozent statt der geplanten je 30 Prozent. Von den temporär Arbeitenden sind zurzeit etwa zehn Leute da, die sehr kurzfristig aufgeboten worden sind. Dies, nachdem ihnen vor Baubeginn erklärt wurde, dass es nur sehr wenig Arbeit geben werde. Dass solche flexibilisierte Stellen nicht gerade den Idealen der Reitschule entsprechen, ist klar. Mit einer genaueren Planung soll diesem Manko noch Abhilfe geschaffen werden. Dafür lässt sich sagen, dass die Löhne dem von der Gewerkschaft geforderten Gesamtarbeitsvertrag entsprechen ­ was für die Reitschule ein «sehr hohes» Lohnniveau ist.

... bis abends spät

Schon ab sieben Uhr früh ist die Baustelle Reitschule belebt, meist reicht es gerade noch für einen Kaffee, bevor frau oder mann sich an die Arbeit macht. Während die «Büezer» von ausserhalb mit einer fast schon beängstigenden Pünktlichkeit auf der Baustelle aufkreuzen, ist es für die meisten UmaRbeiterInnen gewöhnungsbedürftig, zu solch früher Stunde schon voll anzupacken. Ziemlich an der Moral zerrt es dann auch, wenn die GesellInnen von Axt und Kelle gerade gemütlich am Frühstücken sind, während du die erste Mulde mit ätzendem Isolationsmüll füllst und dein Magen dabei knurrt.
           Überhaupt ist es ziemlich harte Arbeit, und obwohl die Kerngruppe schaut, individuelle Fähigkeiten und Wünsche möglichst zu berücksichtigen, schleckt es keine Kuh weg, dass UmaR hauptsächlich Hilfsarbeit zu bewältigen hat. Das heisst: Aussortieren von Müll, Abbruch, immer wieder Baumaterial herumschleppen, «hol-mer-gib-mer-häb-mer» bis zum erlösenden Feierabend. Es ist dann natürlich schon eine Genugtuung, wenn man mit dem dreitönnigen Bagger im Vorraum rumkurven kann, um die unendlichen Sand- und Betonmassen nach draussen zu befördern.

Spaceboard Reitschule trifft auf den Bauplaneten

Nun, auch für einige Bauarbeiter und Handwerker ist es eine ziemlich neue Welt, wenn sie durchs grosse Tor die Reitschule betreten. Die klassischen Vorurteile, was für eine Drogenhölle die Reitschule sei und dass die Graffitis so schrecklich sind, können mir eigentlich nur noch ein müdes Lächeln abringen: Am zweiten Tag tönt es meist schon ziemlich anders. Die Arbeiter sehen, dass wir eigentlich ganz normale Menschen sind, ausser dass wir das Wort «autonom» etwas inflationär verwenden. Speziell erwähnenswert in diesem Zusammenhang waren die zwei schon etwas bejahrten Männer, die den alten Heizöltank auseinander schweissten. Am ersten Tag fanden sie provokativ, am besten sollte gerade die ganze Reitschule abgerissen werden, um dann später festzustellen, die Reitschule «sig de scho es cheibe schöns Ghütt». Der «Gesinnungswandel» wurde allerdings relativiert durch eine frauenfeindliche Haltung, die sie sehr offen an den Tag legten, und damit waren sie bei weitem nicht die einzigen. Die männliche Form für Arbeiter von auswärtigen Firmen ist denn auch der Realität entsprechend: Eine Lastwagenschauffeuse ist bis jetzt die einzige Frau, die ich bei den Bauarbeiten von einer auswärtigen Firma zu Gesicht bekam. Bei UmaR ist das Verhältnis hingegen etwa halbe halbe, und ohne die Reitschule deshalb in den Himmel hieven zu wollen, dies sagt einiges über Geschlechterrollen in und ausserhalb der Reitschule aus.
           Das Aufeinandertreffen solch verschiedener Welten kann meiner Ansicht nach der Reitschule nicht schaden, umgekehrt dürfte auch manch Auswärtigem die Konfrontation mit den ReitschülerInnen nur zum Guten gereichen.

frö/UmaR